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Hundegestützte Pädagogik – Mit Respekt und Verantwortung!

In der hundegestützten Pädagogik wird immer betont, welche Vorteile zum Beispiel ein Schulbegleithund für das Lernklima, die emotionale Entwicklung und die soziale Kompetenz der Schüler:innen haben kann. Doch zu welchem Preis?

Bei der Recherche für mein im April erscheinendes Buch war ich erschüttert, wie viele Bilder und Videos im Internet kursieren, die Hunde auch in Situationen der HGP zeigen, die für die Tiere alles andere als angenehm sind.

Hunde, die von zahlreichen Kindern völlig umringt sind, umarmt werden, als Kissen benutzt werden und vieles mehr. Hunde, die angeleint in bedrängende Situationen geführt werden oder keine Rückzugsmöglichkeit haben. Hunde, die offensichtlich gestresst oder überfordert sind – während die Einsetzenden wohlwollend lächelnd danebenstehen. Die Körpersprache der Hunde spricht dabei eine deutliche Sprache: zurückgelegte Ohren, angespannte Gesichtszüge, ein nach hinten verlagerter Körperschwerpunkt – oder schlimmer noch: ein leerer Blick und völlige Resignation.

Solche Szenen sollten weder in der Schule, noch im Alltag vorkommen.
Foto: Stock.Adobe.com – wie Hunderte bei der Suche zum Thema „Kind & Hund“…

Solche Szenen werden nicht etwa als kritische Momentaufnahmen geteilt, sondern bewusst als Aushängeschild für Schulprojekte und teilweise sogar – erschütternderweise – für Weiterbildungsausschreibungen genutzt: „Seht her, wie großartig der Hund das mitmacht und welche Freude die Kinder haben!“

Und genau das ist das Problem: Viele Menschen erkennen nicht, dass diese Hunde in dem Moment nicht glücklich oder gar entspannt sind, sondern nur noch aushalten, was um sie herum passiert. Die Signalwirkung, die solche Szenen auf die Kinder und ihren Umgang mit Hunden im Alltag hat, unterläuft jegliche Bissprävention.

Übergriffe auf den Hund – oft anscheinend unbemerkt, aber gravierend

Hunde, egal in welchem Einsatz, sind keine Kuscheltiere und sollten auch niemals als „Übungsobjekte“ für den richtigen Umgang mit Tieren missbraucht werden. Kinder lernen durch Beobachtung und Anleitung – nicht durch Versuch und Irrtum am lebenden Wesen. Wenn ein angeleinter Hund dazu dient, dass Kinder üben, wie man ihn richtig streichelt oder sich ihm nähert, dann läuft etwas grundlegend falsch. Warum?

  1. Die Leine entzieht dem Hund die Möglichkeit, sich zu entziehen. Wenn er sich unwohl fühlt, kann er nicht einfach weggehen, sondern ist der Situation ausgeliefert.
  2. Hunde haben eine individuelle Komfortzone. Sie entscheiden selbst, wann und wie viel Nähe sie zulassen möchten – das darf nicht fremdbestimmt werden.
  3. Kinder überschreiten oft unbewusst Grenzen. Ein zu fester Griff, ein plötzlicher Bewegungsimpuls, eine unangenehme Berührung – für uns kaum wahrnehmbar, für den Hund jedoch sehr deutlich.
  4. Fehlinterpretation von Körpersprache. Viele Anzeichen von Stress oder Unwohlsein werden übersehen oder fehlgedeutet – ein Hund, der „stillhält“, ist nicht automatisch entspannt.
  5. Das Risiko einer Eskalation. Wenn der Druck zu groß wird und keine Ausweichmöglichkeit mehr bleibt, bleibt dem Hund als letztes Mittel oft nur das Knurren oder gar ein Abwehrschnappen – egal, wie „gut“ er vorher auf ein Aushalten getestet wurde – oder eben die Resignation mit absehbarem Burn-out.

Stofftiere statt Lebewesen!

Oft wird die Option, Stofftiere zur Einübung der Kontaktaufnahme nicht in Betracht gezogen, da der Fokus direkt auf den echten Hund gelegt wird. Dabei bietet ein Stoffhund eine so wertvolle Vorbereitung:

  • Ein Stoffhund gibt den Kindern die Möglichkeit, ohne Druck zu üben, wie man sich einem Hund nähert oder ihn streichelt.
  • Fehler führen nicht zu echtem Stress oder Unwohlsein beim Tier.
  • Es zeigt, dass Respekt nicht erst dann beginnt, wenn ein echtes Lebewesen betroffen ist, sondern schon in der Vorbereitung.

Kinder, die wirklich lernen sollen, wie man mit Hunden respektvoll und sicher umgeht, dürfen einen Hund nicht als instrumentalisierte „Lernhilfe“ zur Verfügung gestellt bekommen.

Der Wunsch, den Hund in der Schule einzusetzen, darf nie über die Bedürfnisse, das Wohlbefinden und die Möglichkeiten des Hundes gestellt werden. Das Wohl der Schüler:innen und ihr Gewinn aus dem Einsatz sind dem Wohl des Hundes und seinem Gewinn gleichwürdig.

Freiwilligkeit und Respekt vor dem Hund

Ein Hund sollte auch niemals durch Futter oder andere Anreize zu einer Kontaktaufnahme gedrängt werden. Dies untergräbt nicht nur die Freiwilligkeit, sondern kann ihn auch in einen inneren Konflikt bringen. Meidet er z. B. bestimmte Schüler:innen, hat er dafür Gründe – diese sollten respektiert werden.

Wird ein Hund mit Futter gelockt, um sich Menschen zu nähern, kann dies zu Stress und Übersprungshandlungen führen. Zudem wird die gewünschte, natürliche Interaktion verfälscht. Die Kontaktaufnahme sollte immer vom Hund selbst ausgehen. Kekse in die Hand zu drücken oder gar – wie es in manchen Therapiebereichen vorkommt – Leberwurst auf die Haut zu streichen, um den Hund zum Lecken zu animieren, ist eine klare Instrumentalisierung des Tieres und ethisch nicht vertretbar.

Alarmierende Erkenntnisse aus der Forschung

Wie eine alarmierende Untersuchung in Bayern[1] gezeigt hat, an der 54 in Schulen eingesetzte Hunde teilnahmen, ist die Fähigkeit zur Stresserkennung enorm wichtig. Es gilt, auch die feinen Zeichen der Körpersprache bei Hunden lesen zu lernen, um weder die Hunde noch die Schüler:innen zu gefährden. Diese Schulung sollte durch eine entsprechend qualifizierte Weiterbildung gedeckt werden, in der auch praktische Beobachtungsübungen des Mensch-Hund-Teams zum Curriculum gehören.

Für die Studie wurden die Bezugspersonen gebeten, einen standardisierten Fragebogen auszufüllen, um demografische Daten zu ermitteln. Dieser Fragebogen umfasste auch verschiedene Hygiene- und Sicherheitsaspekte, wie das Vorhandensein eines Hygiene- und/oder Notfallplans. Im Anschluss wurden die Bezugspersonen zu beobachteten Stresssignalen der Hunde befragt. In der Schlussfolgerung heißt es:

„Diese Studie gab Anlass zu ernsten Bedenken hinsichtlich des Wohlergehens der Hunde und der Sicherheit der an der AAE beteiligten Schüler:innen.“

Die Autor:innen raten, schnellstmöglich Standards zu entwickeln und umzusetzen, bei denen unter anderem die folgenden Grundsätze immer zum Tragen kommen müssen:

  • Jede Schüler:innen-Hund-Interaktion muss auf der Freiwilligkeit des Hundes beruhen.
  • Jede Schüler:innen-Hund-Interaktion muss von der Bezugsperson beaufsichtigt werden.
  • Die Bezugsperson muss auf jedes Anzeichen von Besorgnis bei ihrem Hund reagieren, auch auf subtile Anzeichen und insbesondere auf Rückzugsverhalten.

Gut gemeint sollte auch gut gemacht sein!

Für einen verantwortungsvollen Einsatz von Hunden in der Schule ist das schnelle Erkennen von Unwohlsein beim Hund in der Interaktion unerlässlich. Selbst jahrzehntelange Hundeerfahrung reicht oft nicht aus, um die vielschichtigen Herausforderungen zu bewältigen, die die HGP im Einsatz mit sich bringt. Eine fundierte Weiterbildung, kontinuierliche Dokumentation und regelmäßige Videoanalysen helfen, das eigene Verhalten und das Wohlbefinden des Hundes objektiv zu beurteilen. Denn nur wer den Hund richtig „lesen“ kann, kann gewährleisten, dass sein Einsatz in der Schule für alle Beteiligten – Mensch wie Tier – eine Bereicherung ist.


[1] Bidoli et al. 2022

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